Trotz bestem Sommerwetter sind rund 80 Personen der Einladung des SPFZ zu einem Referat mit Erich Gysling, Schweizer Journalist, Publizist und Autor, gefolgt. Herr Gysling, bestens bekannt als ehemaliger Sonderkorrespondent des nahen und mittleren Ostens, nimmt uns in seinem Referat mit in längst vergangene Zeiten, um uns die Hintergründe zum Nahost-Konflikt aufzuzeigen.
Am 7. Oktober 2023 haben die palästinensisch-sunnitischen Hamas ein Massaker auf einem Musikfestival angerichtet. Dieser schreckliche Angriff auf Zivilisten ist Auslöser eines erneuten Krieges in einem Umfeld voller Hass und Konflikte. Die Hamas leben im Gazastreifen, zusammen mit rund 3.2 Millionen Menschen auf einer Fläche, die so gross ist wie der Kanton Schaffhausen. 50-70% der Behausungen und der Infrastruktur ist zerstört. Es hat keine Wasserleitungen mehr, die Kinder können nicht mehr zur Schule. Wie es weitergehen soll, weiss zurzeit niemand.
Das war nicht immer so. Die Bevölkerung des Gazastreifens war vor dem Krieg gut organisiert. Vor der gewaltsamen Übernahme durch die Hamas vor 2007 gab es sogar eingesessene, notable Familien – gut etabliert und situiert. Heute gibt es allein im Süden von Gaza 1.5 Mio. Menschen, die in Flüchtlingslager hausen.
Blickt man zurück in die Geschichte von Israel, versteht man, dass der Konflikt zwischen Israel und den Hamas auf etwas viel Grösserem beruht. Es droht eine Eskalation zwischen Israel und dem Iran. Noch in den 1970er Jahren hatte der iranische Schah gute Beziehungen zu den USA und zu Israel. Diese Beziehung wurde getrübt, als der iranische Prediger Chomeini als politischer und religiöser Führer der Islamischen Revolution von 1979 den Schah stürzte und die Macht im Iran übernommen hat und Israel fortan als «Fremdkörper» bezeichnete. Als der Iran seine Atommacht angefangen hat aufzubauen, wurde der Iran zur Gefahr.
Erich Gysling führte in aller Genauigkeit aus, welche Nachbar-Staaten von Israel mit welchen radikalen Gruppierungen (pro-iranische Miliz in der irakischen Armee nach dem Golfkrieg; Hisbollah Miliz im Libanon nach 1982 aufgrund internen Konflikts; Huthi-Rebellen im Jemen-Konflikt, Hamas) mit dem Iran sympathisieren und weshalb es zu offener und verdeckter Unterstützung dieser Gruppierungen kommt. Das Regime im Iran ist über die letzten Jahre religiös strikter geworden und die Fähigkeiten, eine Atomwaffe zu bauen, sind gestiegen. Sie sind ausserdem zu Spezialisten darin geworden, Sanktionen zu umgehen und geben dieses Wissen auch offiziell an Verbündete weiter. Als Grund für die Aufrüstung und die strategischen Partnerschaften mit radikalen Gruppierungen geben sie an, von 45 amerikanischen Stützpunkten und der Atomkraft Israels umgeben zu sein und sich vor einem Angriff schützen zu müssen.
Nach diplomatischen Unstimmigkeiten im Frühling zwischen Iran und Israel gab es seit Ende April keine direkten Angriffe mehr. Herr Gysling geht davon aus, dass es Absprachen zwischen den Staaten gegeben hat. Nichtsdestotrotz droht die Situation zu eskalieren, weil die durch den Iran unterstützten Akteure sehr selbständig und teils auch unkontrollierbar agieren.
Frieden in der Region scheint momentan undenkbar. Selbst wenn die Hamas ausgelöscht würden, wird es immer einen Verhandlungspartner geben. Wenn es nicht mehr die Hamas sind, wird es eine andere Organisation sein. Ausserdem ist der Anspruch von Israel und Palästina in Gaza totalitär. Beide wollen einen eigenen Staat, keine Zweistaatenlösung, auch wenn diese immer wieder in Diskussionen aufgeworfen wird. Eine zufriedenstellende Lösung für nach dem Krieg wird es wohl kaum geben; es bleibt ein Nebeneinander statt eines Miteinander.